Parallelen in den Grundlagen

In diesem Abschnitt werden die Grundlagen von Mediation und Aikido einander gegenüber gestellt.

Parallelen in den Prinzipien

Der Vergleich erfolgt zunächst an Hand der grundlegenden Prinzipien der Mediation.

  1. Die Eigenverantwortung ist sowohl in der Mediation als auch im Aikido absolut essentiell und grundlegend. Das muss hier nicht weiter ausgeführt werden.
  2. Die Freiwilligkeit ist im Aikido eher im Begriff der Zustimmung des Angreifers zu sehen, die dem Ansatz der Bereitschaft ähnlich ist. Der Angreifer wird vom Aikidoka „eingeladen“ auf eine gemeinsame deeskalierende Bewegungsbahn, bei der die Aggression sinkt und eher positive Verwunderung entstehen soll. Die Bereitschaft des Angreifers zur Teilnahme wird rückwirkend durch seine Zustimmung erzeugt (Idealbild).
  3. Die Allparteilichkeit wird im Aikido dadurch sichtbar, dass der Angreifer ohne physischen Schaden, ohne Gesichtsverlust und mit der Möglichkeit des „Neu nachdenken Könnens“ aus der Situation herauskommen soll.
  4. Die Vertraulichkeit im Aikido ist auf den gegenseitigen Respekt und die Zielsetzung zurückführbar, einen Angreifer nicht bloßzustellen. Mit persönlichen oder potenziell schädlichen Informationen ist im Sinne der Budo Ethik sehr vertrauensvoll (und damit vertraulich) umzugehen. Allerdings gibt es kein gesetzlich geschütztes Aussageverweigerungsrecht.
  5. Die Informiertheit ist für die eher kurzfristigen im Aikido behandelten Situationen nicht dadurch erreichbar, dass man vor Beginn einer Selbstverteidigungshandlung noch kurz ein aufklärendes Gespräch führt. Allerdings entspricht das Konzept makoto insofern der Informiertheit, als es den Aikidoka dazu bringt, aufrichtig und ohne Arglist und Täuschung mit seinen Mitmenschen umzugehen.

Obwohl die Parallelen schon offensichtlich sind, werden auch die weiteren Grundsätze der Mediation noch aufgeführt:

  1. Die Ergebnisoffenheit zeigt sich im Aikido besonders durch den Zustand von Mushin, der Absichtslosigkeit. Zudem wird dem fortgeschrittenen Aikido-Übenden klar, dass eine Selbstverteidigungs-Situation selbst nach viel Training keinen vorhersagbaren Ausgang hat.
  2. Die Optionalität findet man im Aikido ebenfalls durch die starke Anpassung an den jeweiligen Angriff, andererseits ist sie in den Säulen Shiho (Universality) und Kaiten (als open-mindedness und openness to possibility) explizit gefordert.
  3. Die Zukunftsorientierung drückt sich im Aikido eher als ein Fokus auf den Moment aus, das heißt über eine Nichtbeachtung der Vergangenheit. Dazu kommt dann die Fragestellung, was man grundsätzlich erreichen möchte, ohne seine Absichtslosigkeit zu verlieren.
  4. Die Ressourcenorientierung der Mediation findet ihr Äquivalent im Konzept No-Sword.
  5. Respekt und Wertschätzung sind in beiden Fällen Grundlagen im Menschenbild – siehe hierzu den unten folgenden Abschnitt.
  6. Die Regeln des Umgangs miteinander werden in beiden Fällen nicht extern vorgegeben.
  7. Authentizität ist sowohl für den Mediator als auch den Aikidoka wichtig. Siehe dazu den folgenden Abschnitt.
Zusammengefasst gibt es eine sehr große Überschneidung in den Prinzipien. Die Unterschiede folgen hauptsächlich aus den Differenzen der jeweiligen Situationen beziehungsweise dem jeweils behandelten Konfliktbegriff.

Die Haltung von Aikidoka und Mediator

Wie im Abschnitt über Haltung und Ethos des Mediators ausgeführt, steht der Mediator mit seiner Haltung für die Mediation an sich. Er verkörpert die Prinzipien, Möglichkeiten und zu Grunde liegenden Werte. Dafür sind seine Authentizität, seine Präsenz und sein Ethos in ihrer Wichtigkeit nicht überzubetonen.

Im Aikido stehen ebenfalls die Präsenz und die Haltung in der Wichtigkeit ganz oben. Nicht dass man mit dem Aikido Lernen jemals fertig sein könnte, aber im Idealbild erreicht man eine Präsenz, so dass die Sinnlosigkeit eines Angriffs durch die bloße Anwesenheit des Aikidoka erkannt wird. In der Interpretation des Angriffs als Austragen eines Konflikts oder Einnehmen einer nicht-konsensualen Position wird deren Sinnlosigkeit ebenfalls durch diese Präsenz evident. Damit steht die Haltung des Aikidoka für das Erreichen und Erzeugen von harmonischen Lösungen.

Die geforderte Authentizität des Mediators sowie das makoto-Konzept im Aikido sind einander eng verwandt. Da aber – wie oben ausgeführt – die Prinzipien und Zielsetzungen von Mediation und Aikido starke Parallelen zeigen und die Haltungen von Mediator und Aikidoka jeweils dafür stehen, müssen auch die Haltungen der beiden analog sein.

Damit einher geht die Ähnlichkeit, dass die Haltung zu entwickeln mit zum Schwierigsten gehört, was Mediator und Aikidoka vor sich haben und dies entsprechend auch am längsten dauert.

Parallelen im Menschenbild

Sowohl die Mediation als auch das Aikido gehen von einem eigenverantwortlichen Individuum aus. Die grundsätzliche Bereitschaft zur konsensualen Konfliktlösung setzt voraus, dass Menschen sich für die Belange anderer interessieren und empathisch sein können. Das eigenverantwortliche Handeln ist in beiden Fällen auch damit verbunden, für die eigenen Interessen eintreten zu können und für diese einzustehen. Das Prinzip der Freiwilligkeit unterstreicht, dass die Menschen das im Grunde auch wollen.

Ebenfalls in beiden Disziplinen steht die Weiterentwicklung des Einzelnen. Dazu gehört das Herausarbeiten der eigenen Interessen, also ein Kennenlernen von sich selbst. Dazu gehört auch die Verstärkung der Fähigkeit, sich in andere Hineinzuversetzen. Dazu gehört im Besonderen die Entwicklung der Fähigkeit zur konsensualen Konfliktlösung und dabei der Ausbau des Selbstverständnisses, dazu in der Lage zu sein.

An dieser Stelle drängt sich nochmals der Bezug der Mediation zum Coaching auf. Der hauptsächliche Unterschied scheint darin zu bestehen, wie viele Personen gleichzeitig anwesend sind, denen man als Coach oder Mediator dabei hilft, ihre eigenen Kompetenzen zu entwickeln, sowie die eigenen Ziele und Interessen zu identifizieren, um dann ihre eigenen Probleme in Selbstautonomie lösen zu können.

So gesehen ist jeder Angriff auf einen Aikidoka, der im Sinne der Prinzipien des Aikido zu einer deeskalierten Situation gebracht werden kann, eine Coaching-Sitzung. Das gilt nur dann, wenn der Aikidoka in diesem Moment weder Hybris noch Stolz verspürt oder der Meinung ist, gerade einen Sieg errungen zu haben. Dadurch ist jede dieser Situationen für den Aikidoka auch eine Chance der Weiterentwicklung.

Zusammenfassend geschieht wahre Konfliktlösung im Inneren des Einzelnen. Das Lösen der Konflikte zwischen den Menschen ist nur eine Folge davon, quasi ein Symptom.

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