Philosophie des Aikido

In diesem Abschnitt sollen einige Informationen über die Philosophie im Aikido gegeben werden. In den verschiedenen Abschnitten werden weitere Grundsätze des Aikido erklärt, die mehr philosophischer Natur sind. Grundsätzlich gilt: „Das Wesen des Aikido ist Frieden und Wohlwollen“. Entsprechend dient Aikido dazu: „[to] neutralize agression and promote harmony“.

Das Menschenbild

Aikido geht von einem sehr positiven Menschenbild aus. Der Mensch an sich ist „naturally pure, bright, honest, and gentle“. Das wird durch die Zielsetzung der schon beschriebenen neun Säulen im Aikido belegt. Der Mensch soll offen und aufmerksam sein. Selbstkontrolle ist wichtig.

Dazu kommt das Prinzip „makoto“, wörtlich übersetzbar mit „true acts“ und beinhaltet die Forderung nach einem Verhalten voller Aufrichtigkeit ohne Arglist und falschem Spiel. Heute würde man das Wort authentisch dafür verwenden. Die Annahme, dass der Mensch sich grundlegend dafür entscheiden kann, sich in diese „richtige“ Richtung zu entwickeln, belegt weiter die Wichtigkeit von Eigenverantwortung im Aikido.

Für das Menschenbild ist ebenfalls die schon an anderer Stelle diskutierte Einheit von Körper und Geist wichtig. Der Mensch wird als ein holistisches Ganzes gesehen. Das angestrebte Ziel der „Harmonie“ kann nur erreicht werden, wenn Körper und Geist synchronisiert sind.

Budo als Hintergrund

„Budo“ ist der Weg des Kriegs. Es ist der Oberbegriff über alle japanischen Kampfküns-te, die den Do-Charakter haben. Wörtlich steht „Bu“ ursprünglich für: „stopping two spears from attacking“. Gut dargestellt und auf die heutige Zeit übertragen werden die angestrebten Tugenden im Buch „Die 7 Wege des Samurai“, in denen Steiner die Samurai-Ziele Hier und Jetzt, Furchtlosigkeit, Gelassenheit, Kriegergeist, Loyalität, Ki und Hara sowie Weisheit und Intuition erläutert und in den Kontext des heutigen Managements überführt.

Im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg wurden diese Konzepte zum Teil pervertiert und der Ansatz im Bushido (Ehrenkodex der Samurai) vom „richtigen Sterben“ eingesetzt, um Kamikaze-Piloten von der Richtigkeit ihres Vorgehens zu überzeugen. Ein Kern von O’Senseis Lehre besteht darin, diesen Punkt des Bushido auf das “richtige Leben” umzumünzen.

Das heilende Schwert

Ein weiteres wichtiges Konzept im Budo ist Katsujinken, „the sword that heals“. Es befindet sich in Balance mit Satsujinken, „the sword that destroys“. Zum einen geht es um die Entscheidung, ob man das Schwert zum Vernichten oder zum Schützen einsetzt. Dabei kann die Situation auch so aussehen, dass man einen Aggressor töten muss, um unschuldige Andere zu schützen. Zum anderen liegt die Unterscheidung zu Grunde, ob man einen Angreifer besiegt und quasi dessen Schwert vernichtet, oder ob man das Schwert des Angreifers lebendig macht, d.h. zum Angriff einlädt, um dann dem Angreifer das Schwert zu entwenden.

Das wird im Konzept von “No-Sword” weiter ausgeführt. Wichtigster Punkt hierbei ist, dass man die Freiheit behält, sich alle bestehenden Umstände positiv zu nutzen zu machen, ohne sich auf sein Schwert zu fixieren, falls man denn eines hat.

Letztendlich geht es um die Verantwortung von Entscheidungen, die Werte, auf deren Basis man sie trifft, und die Konsequenz, mit denen man sie umsetzt. Um seinen höheren Idealen und den eigenen Zielen nachgehen zu können, muss man sich gewahr machen, dass man immer eine Freiheit der Wahl hat.

Das Konzept des Nicht-Kämpfens

Ein zentrales Prinzip im Aikido ist muteiko oder „Nicht-Kämpfen“. Es wird auch als „non-resistance”, „non-violence” oder “Widerstandlosigkeit” geführt.

Auf der physischen Ebene äußert sich das darin, dass an keiner Stelle der Kraft des Angreifers eine Gegenkraft geboten wird. Für den Angreifer fühlt sich das fast so an, als sei der Aikidoka nicht da, zumindest aber, als sei er nicht zu greifen.

Auf der philosophischen Ebene geht es um mehr. Das Akzeptieren von sämtlichen Vorkommnissen und Randbedingungen ist essentiell, um in einem Kampf bestehen zu können. Diese Anforderung überträgt sich auch auf jegliche Situation außerhalb eines Kampfes. In diesem Sinne bedeutet Aiki auch Vereinigung oder Mitgehen mit allen äußeren Umständen bis hin zum Konzept „Taking the hit as a gift“, positive Energie aus einem Schicksalsschlag zu schöpfen.

Der Sieg über sich selbst

Zum Abschluss dieser Passage über die Philosophie des Aikido wird – last but definitely not least – das folgende Aikido-Prinzip präsentiert: Masakatsu agatsu katsu hayabi.

Masakatsu agatsu bedeutet, dass der wahre Sieg im Sieg über sich selbst liegt. Damit wird auf der einen Seite angedeutet, dass es im Aikido keine Wettbewerbe gibt. Darüber hinaus wird betont, dass keine Auseinandersetzung mit einem Gewinner und einem Verlierer enden soll. Vielmehr muss das eigene Ego überwunden werden, um in einen Zustand zu kommen, dass Auseinandersetzungen mit anderen nicht mehr notwendig sind. In diesem Zustand angekommen, ist katsu hayabi – victory swift and immediate – die natürliche Folge auf jeden Angriff.

Die Zusammensetzung Masakatsu agatsu katsu hayabi besagt

  1. auf der technischen Ebene, dass die Techniken sich von alleine manifestieren, wenn der Geist klar und die Bewegungen aufrichtig sind,
  2. auf der philosophischen Ebene, dass man eine Situation erfolgreich bestehen kann, wenn man seine niederen Instinkte durch das Erreichen eines transzen-dierten Zustands im Griff hat und
  3. dass das Erreichen von Wahrhaftigkeit zu Freiheit von Furcht und Selbstzweifeln führt.
So betrachtet ist Aikido vor allem ein Weg zur eigenen Weiterentwicklung, was auch ganz in sein „Erbe“ als Budo-Disziplin passt.

Der Abschnitt über die Philosophie im Aikido wird mit einem Zitat von Protin geschlossen: „Es ist unmöglich, Aikido ernsthaft zu betreiben, ohne die Nutzlosigkeit des aggressiven Verhaltens einzusehen, die sich in einem Angriff konkretisiert, der sich zumeist in dem von der Verteidigung geschaffenen Vakuum verläuft.“

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